Arbeiten

Feind der Fälscher*innen

«Eine Banknote ist auch ein Kunstwerk. Bloss in sehr grosser Auflage.»

Der Materialwissenschaftler Christoph Kocher arbeitet in Graubünden, weil es so sein soll. Trotzdem kennt der Solothurner die Welt – und die Welt kennt ihn, ohne es zu wissen.

Eine Begegnung mit Christoph Kocher ist von einer Ruhe geprägt, wie sie nur Menschen ausstrahlen können, die exakt wissen, was sie tun. «Es ist sehr schwierig, eine Schweizer Banknote zu fälschen», sagt der 47-jährige Leiter Innovation beim Sicherheitspapierhersteller Landqart. Denn anders als jene des Euros oder Dollars bestehen die Noten des Schweizer Frankens aus einer Kombination von Papier und Kunststoff. Nur sehr wenige Menschen besitzen das Wissen und die Fähigkeiten, Banknoten dieses Typs zu entwickeln. Einer davon nennt das Drucksubstrat «das Beste aus zwei Welten», trägt den Namen Christoph Kocher und den Codenamen «Emmett Brown».

 

Das GPS auf Christoph Kochers Smartphone führt einen erst zu einer über 700 Jahre alten Landquarter Mühle, dann zum Milchkasten und zu einer Karte mit dem nächsten Hinweis. Wenige Meter entfernt, in einem Metallstab, der die Hauswand der Mühle schützt, befindet sich ein Schlüssel. Mit diesem geht es wieder retour, zum Briefkasten, dessen Schloss sich nun öffnen lässt. Darin zu finden: das Logbuch der Funde, inklusive Daten und Namen. Seit Kurzem steht darin auch der Name «Emmett Brown». Denn egal, auf welchem Längengrad sich Christoph Kocher gerade befindet, Geocaching begleitet ihn. Ob beim Wandern in den idyllischen Bündner Bergen oder an Konferenzen im turbulenten Japan: Er findet 20 Minuten, um sich vom Signal des GPS zu einem versteckten Cache und in ein neues Abenteuer führen zu lassen.

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«Ich war schon immer vielseitig interessiert und habe gerne getüftelt», sagt Kocher. Er erzählt Anekdoten von Seifenkisten, von Feuerwerkskörpern, vom Bierbrauen und vom Studium. Auch bei diesem sei es ihm wichtig gewesen, dass es die Vielfältigkeit abdeckt. Seine Wahl: Materialwissenschaften. Das fachliche Interesse zog Christoph Kocher vom Kanton Solothurn nach Zürich, von der dortigen ETH bald fürs Doktorat in die USA, von den USA bald in die Praxis nach Graubünden, zu Landqart, dem einzigen Schweizer Hersteller für Sicherheitspapier. Dort leitet Kocher heute die Abteilung Innovation. «Eine Banknote ist auch ein Kunstwerk», sagt er, «bloss in sehr grosser Auflage.» Das bringe mit sich, dass es beim Entwickeln nicht nur darum gehe, den Fälscherinnen und Fälschern einen Schritt voraus zu sein, sondern auch darum, den Zeitgeist zu treffen. «Eine Banknote ist immer auch eine Visitenkarte des Landes. Sie muss nicht nur sicher sein, sondern auch attraktiv und die Werte des Landes repräsentieren.»

 

Zehn bis fünfzehn Jahre ist eine Banknotenserie in Umlauf, ehe sie ersetzt wird. Mit jeder neuen Serie verändert sich das Aussehen der Banknoten und es kommen neue Sicherheitsmerkmale hinzu. Gleichzeitig kommt physisches Geld im Alltag mit fortschreitender Digitalisierung weniger zum Einsatz: «In Zukunft werden Banknoten und kontaktlose Bezahlmittel koexistieren», sagt Kocher. Und lebt diese Realität gleich selbst: «Ich muss gestehen, auch ich bezahle nicht immer mit Bargeld.»

 

Eines der Verstecke, das Christoph Kocher beim Geocaching selbst ausgewählt hat, liegt auf einer der oberen Etagen einer Parkgarage. «GPS funktioniert nur auf der X- und Y-Achse, nicht aber in der Vertikalen», unterteilt er die Welt in seine Dimensionen. Immer wieder würden ihn andere Spielende anschreiben und um Hinweise bitten. Als «Emmett Brown» antwortet er ihnen jeweils geduldig. Den Codenamen hat Christoph Kocher einem Charakter des Films «Zurück in die Zukunft» entliehen. Genauer: einem selbsternannten Studenten aller Wissenschaften. «Im Herzen bleibt man eben immer Kind», sagt er.